Neuer Regisseur, neues Stück,
neuer Spielort
Großartige neue Namen: Christoph Maria Herbst als Hagen, Nina Petri als Brünhild, Gustav Peter Wöhler als Gunther, Mathias Schlung als „Seefred“, die neue Hauptfigur in der Komödie Das Leben des Siegfried, Susanne Bormann als Kriemhild, Inga Busch als Frigga, Gennadi Vengerov als Tuborg und André Eisermann als Siegfried. Festspielintendant Dieter Wedel ist vom neuen Ensemble begeistert: „Es ist wieder hochkarätig. Außerdem ist die Besetzung auch für junge Besucher sehr attraktiv.“
Dieses Mal wird bei den Nibelungen alles anders … Nach sieben Jahren großer dramatischer Ereignisse, blutiger Auseinandersetzungen, Verrat, Liebe, Mord soll nun das Satyrspiel folgen. Bestsellerautor John von Düffel hat Das Leben des Siegfried geschrieben. Bei der Verwechslungskomödie um „Siegfried“ und „Seefred“ stellt sich heraus, dass vieles doch nicht so ist, wie es in den berühmten Sagen und Liedern besungen wurde …
Regisseur Gil Mehmert verspricht ein mitreißendes Bühnenspektakel. Dabei solle Monty Python in Worms zwar nicht kopiert werden, so der Regisseur, aber mit dem Titel Das Leben des Siegfried wolle man deutlich anklingen lassen, dass „wir der Siegfried-Story einen anderen Dreh geben. Abgedrehter werden uns Hagen, Gunther, Kriemhild und Brünhild auch dadurch erscheinen, dass sie einem etwas anderen Siegfried begegnen.“ Dabei werde das Nibelungenlied neu intoniert, begleitet von einer aberwitzigen Brass-Band, die das Mittelalter „aufjazzt und durchrockt“.
Ein Stück mit viel Musik!
Die neunköpfige „Nibelungen“-Band Die Konferenz wird „Siegfried und Co“ musikalisch begleiten. Für die Komödie Das Leben des Siegfried komponiert Gerd Baumann die Musikstücke. Er bekam 2007 den Deutschen Filmpreis für die Musik und die teilweise selbst gesungenen Lieder in Wer früher stirbt, ist länger tot von Marcus H. Rosenmüller. Seit 1997 ist er Produzent von Konstantin Wecker und Gitarrist in dessen Band.
Erstmals finden die Nibelungen-Festspiele auf der Westseite des Wormser Kaiserdoms statt. Die Zuschauer können sich auf viele Überraschungen freuen.
Der Autor – John von Düffel:
Ein Mythos für alles
Von der Tragödie zur Komödie ist es manchmal nur ein Schritt. Das gilt auch für die Nibelungen. In den vergangenen sieben Festspieljahren hat sich bei der Neuerzählung der Geschichte um Siegfrieds Tod und Kriemhilds Rache immer wieder gezeigt, dass das Tragische und das Komische einander durchaus berühren. >
Tragödie und Komödie – das sind keineswegs zwei verschiedene Geschichten, sondern nur unterschiedliche Betrachtungswinkel ein und derselben Geschichte.
Sieben Jahre Nibelungen auf der Bühne, in unterschiedlichen Versionen von Friedrich Hebbel bis Moritz Rinke und in verschiedenen Inszenierungen von Dieter Wedel und Karin Beier – das bedeutet, dass der Mythos des Nibelungenlieds immer wieder neu befragt, immer wieder anders erzählt wird. Und dennoch gibt es eine Grundfrage, mit der alle erzählerische, inszenatorische und schauspielerische Fantasie beginnt. Sie lautet: Wie war es wirklich? Oder besser: Wie könnte es gewesen sein?
Viele Hundert Jahre nach den sagenumwobenen Ereignissen hat niemand ein privilegiertes Wissen über das, was wirklich war und was nicht. Es gibt das Nibelungenlied als Epos, es gibt die eine oder andere historische Quelle, es gibt aber vor allem riesige Lücken. Und dort, wo das Wissen nicht hinkommt, beginnt die Fantasie, lassen sich die Fragen des Wie und Warum nur im Spiel und durch die unmittelbare Überzeugungskraft eines Theaterabends beantworten.
Wie könnte es gewesen sein? Auf diese große Nibelungen-Frage haben die Festspiele jedes Jahr eine neue Antwort gegeben. Sie fiel unterschiedlich düster und dramatisch aus. In diesem Jahr folgt – gewissermaßen als Satyrspiel nach so vielen Tragödien unter freiem Himmel – die komödiantische Antwort. Das Leben des Siegfried beginnt mit einem ganz simplen Gedankenspiel: Was wäre, wenn Siegfried gar nicht Siegfried war, sondern lediglich dafür gehalten wurde? Genügt es nicht, dass alle denken, jemand sei stark und unverwundbar, um wirkliche Kämpfe zu gewinnen, einfach nur durch die Kraft des Vorurteils? Und was für Verwicklungen entstehen, wenn aus dem Schneeball eine Lawine wird und sich ein solcher Mythos immer mehr verselbstständigt, bis er am Ende alles überlebt – auch die Wahrheit?
Der Held von Das Leben des Siegfried wird von Geburt an mit dem Xantener Königssohn und Drachentöter verwechselt. Dabei hat er eigentlich ganz andere Pläne. Sein Traum ist die Entdeckung Indiens auf dem Seeweg in Richtung Westen – und immer geradeaus. Doch leider verfährt er sich auf seiner Expedition in die Weltmeere und landet auf Island, wo die sagenhafte Walküre Brünhild seit etlichen Jahren auf den Stärksten der Starken wartet. Seefred – so der Name unseres Helden – ist nicht Siegfried. Doch nach der langen Wartezeit nimmt es Brünhild nicht mehr so genau. Die Verwechslungsmaschinerie kommt in Gang. Brünhilds Raben tun ein Übriges. Als Seefred wieder von Island ablegt, begleiten ihn die gefiederten Kundschafter der Walküre und eilen ihm mit Siegfrieds Ruf voraus, rheinab nach Worms. Dort leben König Gunther und sein Berater Hagen nach verheerenden strategischen Fehlern unter dänischer Besatzung. Die Kunde von Siegfrieds Ankunft lässt jedoch sogar die Wikinger Reißaus nehmen. Seefred wird als Held in Worms gefeiert – sein Traum aber ist weiterhin ein Schiff, mit dem er Indien entdecken kann. Stattdessen entdeckt er Kriemhild, und im Angesicht der schönen Wormser Königstochter beschließt er mitzuspielen in dem fatalen Schicksalsspiel der Nibelungen …
Der Regisseur – Gil Mehmert:
Der Turm der Nibelungen
Als ich das erste Mal mit der Anfrage der Wormser Festspiele konfrontiert wurde, ob ich eine komödiantische Variation der Nibelungen inszenieren möchte, kam zunächst, das kann ich nicht leugnen, große Skepsis auf. Die Fallhöhe schien mir unendlich für jede Form von Klassikerverballhornung und ein entsprechend harter Aufprall unausweichlich. Da kann ich ja gleich vom Turm springen!
Warum also sollte ich so was überhaupt lesen? Eigentlich nur, weil mich interessierte, wie der Autor John von Düffel in diese Geschichte hineingeraten war und wie er sich, offensichtlich schon mittendrin, aus der Affäre zog.
Und dann zog es mich auch in diese Affäre hinein. Hier ging es, den germanischen Göttern sei Dank, nicht um eine möglichst ulkige Parodie, sondern um eine – die – andere Nibelungen-Geschichte. Viel stärker rückt Siegfried als Aktivposten in den Mittelpunkt, und dann ist es nicht mal Siegfried, dessen Geschichte erzählt werden soll, sondern es wird auf die Spitze getrieben, was die anderen in einem Helden sehen, selbst wenn er es offensichtlich nicht ist.
Natürlich hat der Autor, so lautete ja der Auftrag, das in einem komödiantischen Gewand getan, aber das macht hier umso mehr Sinn, als der Verwechslungsplot um den unfreiwilligen Hochstapler nicht um der vermeintlichen Lustigkeit selbst willen, sondern aus der Situation heraus seinen „Witz“ produziert.
Jetzt hätte ich ja noch davor kapitulieren können, dass komödiantisches Spiel durchaus von gut sichtbarer Mimik lebt, aber ich nehme das als Herausforderung, ob es gelingen kann, mit allen Beteiligten die Theatermittel zu finden, auf dieser Szenenfläche einen fokussierten Blick durchs Schlüsselloch in das Hinterzimmers der Nibelungen zu werfen.
Und mit den Beteiligten meine ich natürlich nicht nur die Gesichtsmuskeln unserer wunderbaren Mimen, sondern eben die Ausstattung, das Licht, die „Horde“ der Musiker, die Technik und natürlich die imposante Kulisse.
Der große Turm zeigt uns, wie unmissverständlich klein wir sind; mit dem Theater aber versuchen wir trotzdem immer wieder, etwas über uns hinauszuwachsen.
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