Adele Bloch-BauerGiovanni Battista Tiepolo

TEFAF 2010

Für jeden eine Entdeckung von unschätz­barem Wert Einem Botticelli im Wert von 11,1 Millionen Euro bis auf wenige Zentimeter nahekommen und mit der Lupe des Galeristen Dickinson die einzelnen Pinselstriche des Meisters sehen: Das ist ein Erlebnis der besonderen Art. Text Xenia Kleinert

Die bedeutendste Kunstmesse der Welt, die Tefaf in Maastricht, auf der ganz große Kunst käuflich ist, macht diese magischen Momente möglich. In diesem Jahr präsentiert sich die Rekordzahl von 263 Ausstellern in neun Sektionen. Gezeigt werden rund 30000 Kunstwerke und Antiquitäten. Der Gang durch die Halle gleicht einem Streifzug durch die unterschiedlichsten Museen der Welt, von der klassischen Antike bis hin zur zeitgenössischen Kunst des 21. Jahrhunderts, und dies auf insgesamt 15169 Quadratmetern.

Jeder Galerist hat seine Preziosen in einem Pavillon mit eigener Handschrift prunkvoll in Szene gesetzt, und so ist man als Besucher gefangen von der Präsenta­tion aus Interieur, Lichttechnik und sorgfältig ausgewähltem Blumendekor. Ein Genuss für die Sinne, der seinesgleichen sucht und den Museumsvertreter wie den privaten Kunstsammler auf der Suche nach dem in der Sammlung noch fehlenden Stück gleichermaßen berührt.

Neu in diesem Jahr ist die Sektion „Tefaf on Paper“, die sich mit Zeichnungen alter Meister und der Moderne, mit Drucken in limitierter Auflage, Fotografien, antiquarischen Büchern und Manuskripten sowie japanischen Drucken und Aquarellen befasst. Die Ausstellungsfläche mit 18 Händlern befindet sich in einer ­eigenen Etage. Es ist eher eine junge Zielgruppe, die gezielt nach diesen Objekten sucht. Sie verweilt auch in der kleinen Fachbibliothek, um sich intensiv über den einen oder anderen Künstler zu informieren.

So zeigt hier der Wiener Kunsthändler Wienerroither & Kohlbacher eine Studie von Gustav Klimt aus dem Jahr 1903/04 für das berühmte Bildnis der Adele Bloch-Bauer, das im Juni 2006 mit 135 Million US-Dollar als wertvollstes Gemälde der Welt verkauft wurde. Die Zeichnung mit schwarzer Kreide auf Papier ist mit 150000 Euro dotiert und hebt mit wenigen Strichen die markanten Züge der Komposition des späteren farbigen Werks hervor: die frontale Stellung des Oberkörpers, die Geradlinigkeit der eckigen Arm- und Schulterpartie sowie den vertikal abgeschnittenen Lehnstuhl.

Eine Rötelzeichnung von Giovanni Battista Tiepolo aus dem Jahr 1696 bietet der spanische Kunsthändler Artur Ramon Art für 200000 Euro an. Zu sehen ist der Kopf von Giulio Contarini nach der berühmten Büste von Alessandro Vittorio.

Die Michael Hoppen Gallery wartet mit spektakulären Fotoprints auf. Zu sehen sind Kontaktabzüge einer Serie von Two Men Wrestling aus dem Jahr 1973. In Auftrag gegeben wurden diese Kampfaufnahmen von keinem Geringeren als dem britischen Maler Francis Bacon. Die ringenden Körper dienten dem Künstler als Inspiration und Vorlage für die ihm eigene Formensprache. Die Abbildungen waren eigentlich für den Abfall bestimmt und wurden nur durch Zufall gerettet.

Die Hamilton Gallery zeigt in einer Sondershow mit dem Titel Small Trades eindrucksvolle Fotografien von Irving Penn. Zu sehen sind Menschen in ihrer Berufskleidung, wie beispielsweise ein Polizist in London und ein Kollege aus den USA. Keine großen Würdenträger, sondern eher gewöhnliche Arbeiter sind dabei, die ihren Beruf zur Berufung gemacht haben und die mit einer unglaublichen Würde so seinerzeit vor die Kamera des Meisters getreten sind.

Ein kleiner Streifzug zu weiteren Highlights der übrigen Messe aus den unterschiedlichsten Angebotsbereichen:
Das diesjährige Highlight der Münchner Galerie Thomas ist das Gemälde ­Seated Young Woman des norwegischen Malers Edvard Munch aus dem Jahr 1916. Es wird für 9,5 Millionen Euro angeboten. Ursprünglich gehörte es der Städtischen Galerie Frankfurt, was eindrucksvoll noch durch das Messingschild am Rahmen belegt wird. Nachdem es im Jahr 1937 zunächst durch die Nazis als „entartete Kunst“ beschlagnahmt wurde, konnte es glücklicherweise nach Norwegen in eine Privatsammlung veräußert und somit vor der Zerstörung bewahrt werden.

Antoine Cheneviere Fine Arts, London, zeigt einen sehr originellen mechanischen Tretwagen in Form eines Fantasievogels um 1840. Es stammt aus Norditalien und diente einem Kind aus besseren Kreisen als Fahrzeug.

Die Galerie Daniel Blau aus München wartet mit einem Werk auf, dessen Wert sich dem Betrachter vielleicht nicht auf den ersten Blick erschließt. Zu sehen sind eher bleiche fotografische Bilder aus dem Jahr 1839 – zur damaligen Zeit eine Sensation und heutzutage eine Wiederentdeckung der besonderen Art. Es handelt sich um Arbeiten des Franzosen Hippolyte Bayard, der als Urvater der Fotografie gilt. Dieser suchte jahrelang nach einem fotografischen Verfahren, Abbilder auf lichtempfindlich gemachtes Papier zu fixieren. Anders als Daguerre, der ausschließlich mit lichtempfindlich gemachten Metallplatten experimentierte, fand Bayard eine Methode, gewöhnliches, in die Kamera eingelegtes Schreibpapier chemisch so zu präparieren, dass es sich nach der Entwicklung in ein Positiv verwandelte. Da ein Negativ fehlt, kann ein so hervorgerufenes Bild nicht vervielfältigt werden, was den besonderen Wert der Arbeiten und den Preis von 300000 Euro für das Unikat begründet. Die einzelnen Bilder, auf denen zum Beispiel dass Eingangsportal von Notre ­Dame in Paris zu sehen ist, stammen aus dem Besitz einer französischen Adelsfamilie, die das Bildmate­rial einst direkt vom Künstler erwarb.

Die Galerie A. Vecht zeigt das angeblich letzte noch auf dem Kunstmarkt befindliche Stück Büste der Knienden von Wilhelm Lehmbruck. Es war lange in Privatbesitz des Kunsthändlers, der es jetzt als angeblich letzte von ursprünglich sechs erwähnten Arbeiten für 1,2 Millionen Euro wieder auf den Markt gibt.

Ein opulenter Tafelaufsatz mit dem Titel Apothéose du Genie, ursprünglich für einen Pavillon der berühmten Weltausstellung in Paris von 1900 gefertigt, bietet die Galerie Neuse für 1,2 Millionen Euro an. Von Meisterhand sind hier Allegorien in Frauengestalt modelliert, die für das gesamte Wissen und Können der damaligen Zeit stehen. Dargestellt sind zum Beispiel die Industrie, der Handel und die Elektrizität, aber auch die schönen Künste und der Weinanbau oder die Feldwirtschaft.
Der Pariser Kunsthändler Pelham bietet für 380000 Euro ein Empirebett aus dem ehemaligen Besitz von Charles-Maurice de Talleyrand an. Eine Kuriosität, denn angeblich hat Frankreichs legendärer Spitzendiplomat von dem gut 200 Jahre alten Schlafmöbel aus des Öfteren seine Staatsgeschäfte erledigt.

Ein spektakuläres Stück, das bereits seinen Käufer gefunden hat, präsentiert der auf griechische, römische und ägyptische Kunst der Antike spezialisierte Schweizer Kunsthändler Jean-David Cahn. Es handelt sich dabei um das Oberteil eines großen Steuerruders aus dem 3. bis 1. Jahrhundert vor Christus, das angeblich aus dem Rhône­delta stammt. Der obere, im Querschnitt halb zylindrische Ansatz erweitert sich auf die Breite des ursprünglich hölzernen, mit 16 Nieten fixierten Ruderblatts. Die Bronze ist von ­einer Schlichtheit und gleichzeitig aufgrund ihrer Formgebung so kraftvoll, dass man als Betrachter in ihren Bann gezogen wird.

Eine Sammlung verschiedener Schaukästen mit aus Wachs modellierten Früchten präsentiert der italienische Kunsthändler Piva & C. Sie stammen aus der Zeit um 1840 und dienten Botanikstudenten der Universität Mailand als An­schauungsmaterial. Jede Kiste mit den unterschiedlichsten Sorten, zum Beispiel ­einer Zitrone oder einem Apfel, wird mit 2500 Euro bewertet.

Eine riesige Wandarbeit von Niki de Saint Phalle ist für 950000 Euro bei der Gallery Delaive aus Amsterdam zu erstehen. Vorbesitzer war das Niki-Privat­museum in Nasu, Japan.

Die Galerie Haunch of Vension zeigt mit dem Titel This Little Piggy Went to Market, This Little Piggy Went Home ein sehr provokantes frühes Schlüsselwerk aus Formaldehydpräparat von Damian Hirst für 8,8 Millionen Euro. Ein Schwein ist in zwei Hälften geteilt, die mechanisch langsam auseinandergeschoben werden, wodurch ein Blick in das Innere des Tiers mit allen Innereien freigegeben wird. Danach wird das Tier durch die Gegenbewegung wieder „geschlossen“ – ein Sinnbild für die Themen Leben, Krankheit und Tod.

Die nächste Tefaf findet vom 18. bis 27. März 2011 wieder in Maastricht (Holland) statt.

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