250 Jahre Tradition
1760, genau 50 Jahre nach der Entdeckung Böttgers, konnte Georg Heinrich Macheleid in Sitzendorf, einem kleinen Dorf tief im Thüringer Wald, ebenfalls das Geheimnis des Arkanums entschlüsseln. Macheleid hatte drei Jahre experimentiert und dann Glück: Ein Sand aus einem Steinbruch ließ sich in Porzellan verwandeln. Damit hatten die kleinen Thüringer Fürstenhöfe Zugang zu einem Material, das für Luxus und Leidenschaft des Spätbarock und des Rokoko stand.
Die Thüringer Fürstenhöfe vergaben bereitwillig Konzessionen für die Errichtung von Porzellanmanufakturen, doch anders als bei den großen europäischen Adelshöfen in Dresden, Wien oder Berlin waren die Thüringer Manufakturen von Anfang an wirtschaftlich eigenständig. Zum Überleben mussten die Thüringer Manufakturen erschwingliches Porzellan für das Kleinbürgertum und die Landbevölkerung herstellen. Oft waren ganze Dörfer in die Porzellanherstellung einbezogen. In Heimarbeit bemalten Kinder die alte Weißware oder formten Henkel oder andere Teile aus Porzellan. Neben Geschirr und Figuren wurden in Massen Besteckgriffe, Schreibzeug, Knöpfe, Näpfe und Pfeifenköpfe hergestellt. Dieses Porzellan war oft kein künstlerisch hochwertiges Erzeugnis, sondern stilsicher ästhetisch gestalteter Alltagsgegenstand und manchmal auch leicht verkäuflicher Kitsch. So entwickelte Thüringer Porzellan seinen eigenen Charakter: kraftvoll, frisch-naiv und immer am Puls der Zeit – es musste ja verkäuflich sein.
Thüringer Porzellanmoderne
Im 19. Jahrhundert gab es eine zweite Welle der Gründung von Porzellanmanufakturen in Thüringen. Mit dem Anschluss an das Eisenbahnnetz konnte Porzellan günstig bis nach Nordamerika und Asien exportiert werden. Seit dieser Zeit bestehen große Sammlergemeinden Thüringer Porzellans in den USA, wobei diese traditionelle Formen des Rokoko bis zum Klassizismus mit ihren aufwendigen Details und Handmalereien bevorzugen.
Die Entwürfe von Henry van de Velde für die Porzellanmanufaktur in Jena-Burgau und Figuren von Gerhard Marcks und Ernst Barlach der Schwarzburgischen Werkstätten für Porzellankunst zeigen die Einflüsse des Werkbunds und des beginnenden Bauhauses auf die Thüringer Porzellanindustrie. Während der 40 Jahre DDR gingen die mit viel handwerklichem Geschick gefertigten Service und Figuren in den Export. Für den heimischen Markt wurde industriell und einfach produziert.
Die Jahre seit 1990 sind geprägt von Innovationsschüben. Die Zusammenarbeit mit Designern und neue Materialien, die mit dem Porzellan verbunden werden, kennzeichnen individuelle und flexible Porzellankonzepte der Zukunft.
Sehenswerte Ausstellungen zum Thüringer Porzellan
Museum Leuchtenburg bei Kahla
Historische Porzellane Thüringens, Moderne Tischeindeckungen und ein besonderer Augenschmaus: Nackt in Kaolin – Aktfotografien in Porzellan
bis 15. November 2010, täglich
9–18 Uhr (November bis März 9–17 Uhr)
Residenzschloss Heidecksburg in Rudolstadt
Menschenbilder 1900–2000
Künstler arbeiten für Thüringer Porzellanmanufakturen
bis 31. Oktober 2010, Di–So 10–18 Uhr (November bis März 10–17 Uhr)
Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha
Ganz schrecklich viele Tassen – Gothaer Porzellan des 19. Jahrhunderts
bis 5. September 2010, Di–So 10–17 Uhr
Schloss Belvedere Weimar
Thüringer Porzellane des Rokoko und Klassizismus
Aus der Sammlung des Herzoghauses Sachsen-Weimar-Eisenach
bis 31. Oktober 2010, Di–So 10–18 Uhr
Thüringer Museum Eisenach
Schätze der Porzellansammlung
Informationen
Tourist Information Thüringer Saaleland
Margarethenstraße 7/8, D-07768 Kahla
Tel. (+49-364 24) 78 4 39
[email protected]
www.saaleland.de
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