Es ist das dritte Ausbildungsjahr auf der Security-Academy. Charlotte und Albert sind gleich am Anfang zusammengekommen, Werther kommt neu dazu. Er hat seine Ausbildung anderswo abbrechen müssen. Warum eigentlich, weiß niemand so genau.
Werther verliebt sich jedenfalls in Albert. Und auch in Charlotte. Wilhelm liebt er sowieso schon lange. Aber alle liebt er für unterschiedliche Dinge: Mit Charlotte liest er Bücher, mit Albert hört er Musik, und mit Wilhelm schreibt er sich. Und das ist fast noch ein bisschen schöner als das Bücherlesen, das Musikhören und das Miteinander-Knutschen.
Heute wird ja mehr geschrieben als jemals zuvor. Und hier schreibt nicht nur Werther. Die angehenden Wärter der Security-Academy, der Schule für Sicherheit, haben eine Telegram-Gruppe. Hier gibt es einen Werther und viele Wärter. Und jeder bewacht irgendetwas: die eine ihre Unschuld, der andere sein Unglück und alle zusammen die Einhaltung der gesellschaftlichen Normen, z. B. die Frage, wer wen lieben darf. Was ist denn eigentlich eine Beziehung? Sollten wir nicht erst mal klären, wie wir zueinander stehen und wie wir miteinander leben könnten, bevor wir uns alle umbringen oder unglücklich weiterleben?
Und was kann uns Goethes Briefroman um den unglücklichen Selbstmörder Werther von 1774 heute noch erzählen? Wo reißt er uns mit? Wo regt er uns auf? Wo tut er uns leid? Warum muss er sterben? Muss er überhaupt? Und überhaupt, der Werther: Das ist ja erstmal ein sehr unzuverlässiger Erzähler. Da sollte man 245 Jahre später vielleicht schon noch mal die anderen fragen: Wie hat denn Charlotte das alles erlebt? Oder das Fräulein von B.? Oder der Gärtner? „Die Leiden der jungen Wärter“ ist ein Stück über Leiden und Sehnen und Liebe und Freundschaft und Jugend und Hype und Sicherheit und hier und jetzt. Inszeniert und geschrieben wird das Stück von Jan Koslowski und Nele Stuhler, die mit Slapstick, Sprachwitz und Theatralik den alten Klassiker neu überschreiben; gespielt wird es von den neun angehenden Schauspieler*innen des dritten Jahrgangs an der Kunstuniversität Graz.
Kooperation mit dem Institut für Schauspiel der Kunstuniversität Graz