"Dieser Theaterabend stellt keine Meinung dar. Denn dann wäre er nur ein Theaterabend unter vielen. Dieser Theaterabend ist aber der Theaterabend schlechthin. Sie werden, nachdem Sie ihn gesehen haben, nicht denken: 'Ja, so kann man das auch sehen.' Oder 'Interessant, so hab ich das noch nie gesehen, aber der Theaterabend von Herrn Sowieso gestern hat mich auch auf andere Gedanken gebracht.' Nein! Hier gibt’s keinen Herrn und hier gibt’s keine anderen Gedanken. Andere Gedanken sind Meinungen. Und das ist der Theaterabend, den Sie hier gleich sehen werden, ausdrücklich nicht." René Pollesch
Worum geht es also an diesem Abend? Die vierte Wand, in der Regel imaginär, steht in Bert Neumanns Bühnenbild augenfällig vor uns. Die große Fassbinder-Schauspielerin Margit Carstensen sowie Christine Groß und Martin Wuttke, zweihundert Jahre lang tiefgefroren und jetzt in seiner Galauniform aus dem 19. Jahrhundert dem Eiskasten entstiegen, und ein achtköpfiger Chor in weißen Latexkostümen mit Häubchen und Stirnlampe, verschwinden immer wieder hinter dieser vierten Wand, die im Laufe des kurzweiligen Abends dann auch zunehmend mehr Löcher abbekommt. Aber nur vordergründig geht es um diese Theaterkonvention.
"Der Körperspieler Wuttke als raubeiniger Vertreter der Körpertheorie, die Carstensen, selbst ein Theater- und Film-Mythos, als elegante, wohlartikulierende Anwältin der Seelen-Partei. Christine Groß als eine Art, wie sagt man heute: Mediatorin. Und dazu natürlich wieder ein Chor, etwas astronautisch in eng anliegenden weißen Anzügen, er erinnert an die Spermien von Woody Allen, spricht mal als eine Person, reflektiert zwischendurch sein Chorsein. Man kann das alles natürlich wieder als hochbedeutend nehmen. René Pollesch hat selbstredend den Philosophen Jean-Luc Nancy studiert. Man kann es auch als geistreichen Boulevard konsumieren." Peter Hans Göpfert, kulturradio
Mit:
Margit Cartensen, Christine Groß, Martin Wuttke und einem Chor
Regie - René Pollesch
Bühne und Kostüme - Bert Neumann
Kamera - Ute Schall
Aenne Quiñones