"Er" und "Sie", beide etwas älter, haben ihr Leben miteinander verbracht. Die Hochs wie die Tiefs, die guten und die schlechten Zeiten. Nun blicken sie in Anbetracht des herandräuenden Vergessens auf die gemeinsame Vergangenheit zurück, während die Gegenwart doch dabei ist, sie einzuholen...
Üblicherweise besteht die Dramaturgie eines Theaterstückes darin, daß die Figuren auf der Bühne mit immer mehr Details über sich selbst und ihren Charakter ausgestattet werden. Am Ende des Stückes wissen sie im besten Falle mehr über sich, und das Publikum weiß mehr über die Welt.
Was aber geschieht, wenn die Figuren eines Stückes immer vergeßlicher werden oder am Ende gar dement sind und alles, was sie je ausgemacht hat, vergessen haben? Was bleibt von einem Menschen übrig, wenn nichts von einem übrigbleibt?
Läßt sich unter der Prämisse, daß zwei Menschen sich selbst und dem Publikum immer fremder werden, eine Theaterdramaturgie aufrechterhalten? Zum Beispiel diese: Zwei Menschen, ein Paar, sitzen in einem Altersheim in der Abteilung für Demenzkranke. In Rückblenden lernt man die Vergangenheit dieser beiden kennen: Das Schöne des Anfangs und den lang samen Verlust des Schönen. Die immer heftiger werdenden gegenseitigen Vorwürfe, die mit zunehmender Vergeßlichkeit immer unspezifischer werden, indem sie einander Dinge vorwerfen, die sie gar nicht miteinander erlebt haben, weil sich die Erinnerung mehr und mehr verfälscht. Könnten diese zwei Alten, die am Ende einander nicht mehr erkennen, noch einmal von vorne anfangen? Könnte der letzte Akt ein schüchterner Versuch des Kennenlernens und Verliebens sein, als wären sie einander noch nie begegnet? Ist die Leere, der Verlust des Gewesenen der kommende Tod oder ein neuer Anfang?
Peter Turrini