Im Sommer 1803 übersetzt Kleist in Dresden Molières Amphitryon. Was ursprünglich eine reine Übersetzung des französischen Originals werden sollte, entwickelt sich zu einem eigenständigen Stück. Die Handlung scheint auf den ersten Blick komisch: Alkmene wartet in Theben auf die Rückkehr ihres Gatten Amphitryon aus dem Krieg gegen die Athener. Statt seiner erscheint Jupiter in Gestalt des Ehemannes, beide erleben eine stürmische Liebesnacht. Als anderntags der echte Amphitryon erscheint und von seiner Gattin wegen seiner Liebeskünste gelobt wird, kommt der Betrug ans Tageslicht. Die Dreiecksgeschichte spitzt sich zu, als Jupiter erneut in seiner Verwandlung erscheint und der vermeintliche und der echte Amphitryon aufeinandertreffen. Alkmene, die den echten Amphitryon erkennen soll, versagt. Der betrogene Gatte fordert einen Preis: den von Jupiter mit Alkmene gezeugten Sohn: Herkules! Was wie eine Verwechslungskomödie klingt ist eigentlich die Schilderung einer Identitätskrise. Was bleibt, wenn man seinen Augen, Ohren und Gefühlen nicht mehr trauen kann?