Martin Luther hat der Musik einen besonderen Stellenwert eingeräumt. Seine Lieder haben dazu beigetragen, die Reformation zu einer Singbewegung werden zu lassen und sie waren mit anderen reformatorischen Liedschöpfungen das Markenzeichen der jungen evangelischen Kirche. Luthers hohe Wertschätzung der Musik „nächst der Theologia“, als Schöpfungsgabe Gottes an den Menschen, als Sprache des Glaubens und des Evangeliums wurde mit der Entstehung des protestantischen Kantorenamts in die Praxis umgesetzt. Im doppelten Auftrag des protestantischen Kantors als Leiter der singenden Gemeinde und der musikalischen Bildung in der Schule äußert sich die auf die Reformatoren zurückgehende Bildungsaufgabe der Kirchenmusik, der bis in die heutige Zeit eine besondere Rolle zugemessen wird.
Ausgehend von der musikalischen Situation im mitteldeutschen Raum zu Martin Luthers Zeit und seiner eigenen musikalischen Biografie sollen die beiden Säulen der protestantischen Musikkultur – Gemeindegesang und Kantoreipraxis – in ihrer Entwicklung und ihren Wirkungen von der Reformation bis in unsere Zeit in Schlaglichtern dargestellt werden. Exemplarische Gesangbücher und Kirchenlieder, wegweisende Komponisten und ihre Werke sowie zentrale Gattungen und Zentren der protestantischen Kirchenmusik werden in sicht- und hörbaren Beispielen Einblicke in das kirchenmusikalische Leben verschiedener Zeiten in Deutschland geben. Der Blick wird dabei auch auf die protestantische Musik in Halle und auf das Musikleben in den Franckeschen Stiftungen gelenkt, wo August Hermann Franckes Regelungen für eine musikalische Bildungsarbeit und die verschiedenen Auflagen von Johann Anastasius Freylinghausens Gesangbüchern das Singen geistlicher Lieder in den Dienst einer individualisierten Frömmigkeit stellten.