Wie die Künstler die literarischen „Stoffe“ umgesetzt haben, können die Besucher in der als Schau- und Lesevergnügen konzipierten Ausstellung unmittelbar nachvollziehen: Etliche Bücher kann man als Faksimiles ansehen, andere literarische „Vorlagen“, etwa von Goethe, Gogol und Flaubert, aber auch von Autoren des literarischen Expressionismus, liegen in unseren Leseinseln aus.
Als der große französische Kunsthändler Ambroise Vollard (1867-1939) um 1900 damit begann, „seine“ Künstler mit der Illustration von literarischen Texten zu beauftragen, war nicht nur der Verleger Vollard, sondern auch das „livre de peintre“, das „Malerbuch“, geboren. Gänzlich neu war dabei, dass die Maler sich nicht auf Darstellungen beschränkten, die dem Text abbildhaft folgten und ihm untergeordnet waren, wie dies vordem üblich gewesen war, sondern dass sie ihrer Phantasie und Imagination freien Lauf ließen. Die individuelle Interpretation und der persönliche Zugriff des Künstlers auf den Text sowie die besondere künstlerische Qualität und Originalität der Illustration, machen also den besonderen Reiz des „Malerbuchs“ aus. Dazu wurden diese bibliophilen Kostbarkeiten mit meisterhaft gedruckten Originalgraphiken – zumeist Lithographien oder Holzschnitte – ausgestattet, an denen die Künstler oft jahrelang arbeiteten. Die Wahl des Papiers und der Schrift sowie Satzspiegel, Einband und Vorsatz wurden zumeist mit dem Künstler abgestimmt. Die Auflagen der Bücher waren limitiert und die einzelnen Exemplare nummeriert.
Wie prachtvoll und faszinierend illustrierte Bücher sein können, veranschaulicht nun eine Auswahl bibliophiler Raritäten aus der Sammlung Buchheim, die größtenteils zu den Malerbüchern gerechnet werden können. Allen voran Marc Chagalls Illustrationen zu den Fabeln von La Fontaine und zur Bibel, die Ambroise Vollard angeregt hatte. Und als weiterer Höhepunkt: Pablo Picassos Radierungen zu Sonetten des spanischen Barockdichters Góngora y Argote. Eine zweite Gruppe bilden buchkünstlerische Werke deutscher Expressionisten: Ernst Ludwig Kirchners Holzschnittillustrationen zu Georg Heyms nachgelassenen Gedichten sind das Herzstück der „Brücke“- Kollektion. Während Oskar Kokoschka und Ernst Barlach Bilder zu ihren eigenen Dramen schufen, also Textautor und „Illustrator“ zusammenfallen, entwickelten andere Maler, etwa Max Beckmann und Max Kaus, eine große Affinität zu „ihren“ Texten, denn sie hatten diese entweder selbst ausgewählt oder waren mit den Literaten befreundet.
Daß Lothar-Günther Buchheim neben seiner überbordenden Gemälde- und Graphiksammlung auch eine Buchkollektion von so herausragender Qualität und Vielfalt zusammengetragen hat, ist erstaunlich. Doch mehr noch sein Sinn für feine Differenzierungen, der den leidenschaftlichen Bibliophilen und wahren Kunstkenner verrät: Max Beckmanns Radierungen zu Kasimir Edschmids Erzählung „Die Fürstin“ beispielweise liegen nicht nur in gebundener Form - in zwei Buchexemplaren mit unterschiedlichen Einbänden - vor, sondern auch in Einzelblättern.
Auch dass Buchheim, der selbst Standardwerke über den deutschen Expressionismus schrieb, an kunstwissenschaftlichen Werken und an der Kunstliteratur der Zeit interessiert war, ist ein Aspekt, der die Buchheim’sche Sammlung ungemein spannend macht. Zumal einige dieser Bücher, wie beispielsweise die von Gustav Schiefler verfassten Werkverzeichnisse der Druckgraphik Noldes und Kirchners buchkünstlerische Glanzstücke sind: die Künstler bestimmten die Gestaltung mit und schufen für diese Publikationen Druckgraphiken. Weil zahlreiche Arbeiten, die man seinerzeit abbildete oder besprach, da Zeitgenossen oder die Künstler sie für besonders wichtig und aussagekräftig hielten, auch in der Sammlung Buchheim zu finden sind, haben wird dies zum Anlass genommen, in einigen Fällen Buch und Druckgraphik gemeinsam zu präsentieren.