Händel musste, da sein Pachtvertrag am King’s Theatre nach der Spielzeit 1733/34 nicht verlängert wurde, mit seinem eben erst neu zusammengestellten Ensemble an das Theater in Covent Garden ausweichen. Mehr denn je war er auf Publikums - erfolge angewiesen, denn mit der Opera of Nobility war ihm im vergangenen Jahr starke Konkurrenz erwachsen. Oreste war die erste „neue“ Oper für die neue Wirkungsstätte, die auch der Ballett-Truppe der berühmten französischen Tänzerin Marie Sallé Unterschlupf bot. Der Theaterpraktiker Händel versuchte in dieser Oper mit Tanzeinlagen das Schaubedürfnis des Publikums zufrieden zu stellen, wusste er doch ganz genau, dass sein Sängerensemble nicht mit den hochbezahlten Stars der Adelsoper mithalten konnte.
Auf der Insel Tauris versetzt König Toante mit archaisch-blutigen Methoden alle in Angst und Schrecken und lässt seinem Begehren und seinen Trieben ungezügelt freien Lauf. Er ist eine Verkörperung all dessen, was Zivilisation und Aufklärung seit Jahrhunderten in Schach zu halten versuchen. Eines Tages aber betreten Menschen seine Insel, die die tödliche Gier nach Blut und Lust in sich zum Schweigen gebracht zu haben glauben: der Muttermörder Oreste und seine Schwester Ifigenia sowie Pilade und seine Ehefrau Ermione. König Toante weckt in ihnen scheinbar längst besiegte Gefühle. Wie werden sie umgehen mit dem Wiedererwachen ihrer geheimsten Triebe?