Mit Agrippina erhielt der junge Händel 1707/08 seine große Chance, sich in Italien als Opernkomponist zu profilieren. Der Auftrag kam vom renommierten Teatro San Giovanni Crisostomo in Venedig, das von der einflussreichen Familie Grimani finanziert wurde, eventuell ist Kardinal Vincenzo Grimani der Verfasser des Librettos. Die Venezianer waren in musikalischen Dingen sehr anspruchsvoll, aber Händel gelang es, auf der Basis des witzigen Librettos über Machtgier und sexuelle Begehrlichkeiten im Alten Rom eine geistvolle, packend unterhaltsame Oper zu verfertigen: Mit reicher Instrumentation und vielfältigsten musikalischen Formen wie Tanzsätzen, Ensembles neben Da Capo-Arien, Kavatinen, Ariosi sowie Accompagnato-Rezitativen, mit volksliedartigen Melodien neben ausgefeiltem Bel Canto zeigte Händel seine kompositorische Virtuosität. Der Erfolg war überwältigend. John Mainwarning, Händels erster Biograph, berichtet, dass das Publikum „von der Größe und Hoheit seines Stils gleichsam vom Donner gerührt [war], denn man hatte nimmer vorher alle Kräfte der Harmonie und Melodie in ihrer Anordnung so nahe und so gewaltig miteinander verbunden gehöret”. Händel wurde gefeiert mit dem Ruf „Viva il caro Sassone!“ – „Es lebe der liebe Sachse!“ Es begann seine internationale Karriere.