Edith Tudor-Hart, aus der Serie „Sich bewegen und wachsen“, 1951 ©Wien Museum Edith Tudor-Hart, Demonstration von Arbeitslosen, Wien, 1932 ©Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004Edith Tudor-Hart, arbeitslose Familie, Wien, 1930 © Wien MuseumEdith Tudor-Hart, Kein Zuhause, keine Stütze, London, um 1931 ©Scottish National Portrait Gallery / Archive presented by Wolfgang Suschitzky 2004

Im Schatten der Diktaturen

Im Wien Museum ist die große österreichisch-britische Fotografin Edith Tudor-Hart zu entdecken.

Nach Barbara Pflaum, Elfriede Mejchar und Trude Fleischmann widmet das Wien Museum abermals einer großen österreichischen Fotografin eine Personale: Edith Tudor-Hart (1908–1973), die in der Fotogeschichte auch unter ihrem Mädchennamen Edith Suschitzky bekannt ist. Sie zählt zur Riege jener politisch engagierten Fotografinnen und Fotografen, die ab den 1920er-Jahren mit sozialkritischem Impetus den politischen Entwicklungen begegneten – sowohl in Österreich als auch im englischen Exil, wo sie zu einer bedeutenden Vertreterin der Arbeiterfotografie-Bewegung wurde.
Edith Tudor-Hart wurde 1908 als Edith Suschitzky in Wien geboren und wuchs in einem sozialdemokratischen Elternhaus auf. Ihr Vater betrieb eine Arbeiterbuchhandlung in Favoriten und einen revolu­tionären Verlag. Früh engagierte sich Tudor-Hart im Bereich der Kinderpädagogik, absolvierte eine Montessori-Ausbildung und verkehrte in jenen Kreisen, die eine radikale, antiautoritäre Reform von Schule und Erziehung vorantrieben. Erst ein Studienaufenthalt am Bauhaus in Dessau (1928–1930) dürfte sie zur Fotografie gebracht haben.
Um 1930 begann sie in Wien als Foto­reporterin für Illustrierte zu arbeiten, allerdings war sie auch für die sowjetische Nachrichtenagentur TASS und als kommunistische Agentin tätig. Dies wurde Edith Tudor-Hart schließlich zum Verhängnis: Als die österreichische Regierung 1933 gegen Nazis und Kommunisten vorging, wurde sie kurzerhand verhaftet. Noch im gleichen Jahr heiratete sie den englischen Arzt Alexander Tudor-Hart, wodurch ihr 1934 die Flucht nach Großbritannien gelang.
In der Folge entstanden brillante Sozial­reportagen in den Londoner Slums oder im walisischen Kohlerevier, die heute zu den Hauptwerken der britischen Arbeiterfotografie zählen. Mit ihren Bildern hob sich Tudor-Hart deutlich vom Mainstream der britischen Fotografie ab, die zu dieser Zeit von einer bürgerlichen, süßlich-gefühlsseligen Ästhetik geprägt war. Ihre Aufnahmen bestechen durch die Qualität des Dialogs mit den Porträtierten, der gesellschaftliche Kontext ist stets sicht- und spürbar.
Politisch isoliert und unter ständiger Beobachtung, konnte Tudor-Hart nach dem Krieg jedoch nur noch eingeschränkt als Fotografin arbeiten. Sie widmete sich vor allem Reportagen über Kinder in sozialen Einrichtungen, ehe sie das Fotografieren zur Gänze aufgab. Die Ausstellung, die zuvor in Edinburgh zu sehen war, gibt erstmals einen Überblick über das Werk dieser ebenso faszinierenden wie bedeutenden Künstlerpersönlichkeit. Sie entstand als Kooperation zwischen den National Galleries of Scotland und dem Wien Museum. Zur Ausstellung ist ein Katalog im Hatje Cantz Verlag erschienen.
bis 12. Januar 2014

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