Blechlokomotive,  Historisches Museum BielefeldHerd mit Puppen, Historisches Museum BielefeldKarussel, Historisches Museum BielefeldFeuerwehrauto, Historisches Museum Bielefeld

Blechzauber. Zwischen Dampfmaschine und Puppenhaus

Das Historische Museum Bielefeld präsentiert in einer stimmungsvollen Sonderschau einzigartige Raritäten: aus buntem Blech gefertigte Dampfmaschinen, Werkstätten, Puppenherde und Nähmaschinen in Miniaturformat. Nie gezeigte Sammlerstücke und Schätze des Museums werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ravensberger Park 2, D-33607 Bielefeld

Mechanisches Spielzeug als Faszinosum von Generationen
Der Zauber ist seit rund 150 Jahren ungebrochen. Funktionsfähige Miniaturen aus Blech faszinieren Jungen und Mädchen, Jung und Alt, gestern und heute. Ob Lokomotiven ihre Runden drehen, Hammerwerke in Bewegung gesetzt oder Puppenherde angeheizt werden: Technisches Spielzeug verbindet Industrie und Kinderzimmer.
Bezahlbares Blechspielzeug kam auf, als sich durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert neue Möglichkeiten und Materialien für die Spielzeugproduktion ergaben. Als strapazierfähiges Relikt spiegelt es den technischen Entwicklungsstand der Gesellschaft, aber auch ihre Rollenbilder wider: In Warenhauskatalogen aus der Zeit vor 1940 findet sich Spielzeug regelmäßig nach Geschlecht getrennt aufgelistet. Der Befund ist typisch: Dampfmaschinen für die Jungs, Puppenküchen für die Mädchen. Schließlich sah das polare Geschlechtermodell des 19. Jahrhunderts für das spätere Erwachsenenleben eine klare Arbeitsteilung vor. Fabrikarbeit und technische Berufe erledigten die Männer, Hausarbeit die Frauen. So lautete zumindest die Theorie – die Ausstellung im Historischen Museum Bielefeld zeigt unter anderem, dass die Realität komplizierter ist.
Spielend lernen wir; insofern ist Spielen – auch – eine ernste Sache. Pädagogische Schriften zeugen von den Mühen, die Staat und Kirche unternahmen, um einen Zugriff auf die Kinderzimmer der Nation zu bekommen. Von Beginn an wurden erregte Diskussionen um die Ausstattung der Kindergärten mit „pädagogisch wertvollen“ Spielzeugen geführt. Immerhin spielten dort erstmals Kinder aus unterschiedlichen Schichten zusammen und unter professioneller Anleitung. Nachahmung wurde als der Schlüssel zur erfolgreichen Integration in das erstarkende Bürgertum begriffen. Puppenkochbücher etwa sollten die „kleine Köchin“ auf ihre familiären Pflichten vorbereiten und an den verantwortungsvollen Umgang mit Nahrungsmitteln gewöhnen. Im Schulunterricht fungierten Verbrennungsmotoren und kleine Nähmaschinen als Lehrmodelle zur Vorbereitung auf das spätere Arbeitsleben. Tatsächlich aber ist bis heute strittig, inwieweit Berufswahl und Lebenskonzepte überhaupt durch die Spielzeugwahl beeinflussbar sind.
Die Ausstellung greift diese und andere offene Fragen auf und illustriert sie. Die Besucher sind aufgefordert, sich ein eigenes Bild zu machen. Dementsprechend wird viel Bekanntes zu entdecken sein, aber – dank der Zusammenarbeit mit versierten Sammlern – auch Besonderheiten und unerwartete Zusammenstellungen. Einen der vielen Höhepunkte stellen echte, große Dampfmaschinen dar. Neben historischem Funktionsspielzeug für Jungen und Mädchen werden auch deren Vorbilder aus dem wirklichen Leben in Szene gesetzt. Im Rahmenprogramm finden zahlreiche Aktivitäten statt: vom Kochen auf dem Puppenherd bis zur Reparatur von Antriebsmodellen. Ein Café mit „Dampfstammtisch“ sorgt für das leibliche Wohl und bietet Gelegenheit zum Fachsimpeln. Am Wochenende sind Aktionstage geplant – etwa mit Dampfschiffen, die auf dem Teich im Ravensberger Park zu Wasser gelassen werden.

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