05082012Khatia_Buniatishvili8(c)JuliaWesley090812Robert Menasse©JeffMangione120812Misia220712JeanLucPonty©Imma Casanalles2Jutta Skokan (c) Monika Löff

Die Feste feiern, wie sie fallen

Mit einem hochkarätigen Jubiläumsprogramm an den schönsten Plätzen des Salzkammerguts feiern die Salzkammergut Festwochen Gmunden ihr 25-jähriges Bestehen.

Theatergasse 7, A-4810 Gmunden

Wäre Franz Joseph nicht gewesen, es gäbe die Sommerfrische nicht. Mit der Übersiedlung des Hofs nach Bad Ischl kamen auch all jene, die sich in seinem Glanz sonnen wollten. Gmunden wurde nicht nur aufgrund seiner Nähe zur kaiserlichen Sommerresidenz zum bevorzugten Ort der Aristokratie und des Großbürgertums; die malerische Landschaft bot die ideale Kulisse, um den heißen Sommermonaten zu entfliehen. Man spazierte auf der Espla­nade, traf sich zur gepflegten Konversation oder genoss das Idyll am See.

Selbstverständlich wollte die illustre Sommergesellschaft auch in dieser Zeit nicht auf den kulturellen Genuss verzichten, und so ließ ein gewisser Joseph M. Kotzky, seines Zeichens Salzburger Theater­direktor, das Stadttheater in Gmunden errichten. Die Eröffnungsvorstellung fand am 22. Juni 1872 mit der Operette Die schöne Galathée von Franz von Suppé und der Posse Umsonst oder Der Herr Vetter aus Regensburg von Johann Nestroy statt. Stets bemüht, dem anspruchsvollen internationalen Kurpublikum, das oft viele Wochen in Gmunden weilte, Sommer für Som-mer einen abwechslungsreichen Spielplan zu bieten, wurden jede Saison beliebte Schauspieler, vorwiegend von Wiener Bühnen, für Gastspiele an den Traunsee engagiert.

Nach dem Krieg und dem darauffolgenden Zusammenbruch der Monarchie trat die Kultur der Sommerfrische in Vergessenheit, ganz verschwand sie jedoch nie. Seit einigen Jahren erfreut sie sich gar zunehmender Beliebtheit: Die Stadtflucht, wenn auch nicht mehr mehrwöchig, gehört wieder zum guten Ton.

Apropos Ton: Ende der 1980er-Jahre besann man sich in Gmunden seiner musikalischen Wurzeln, und so wurden am 18. Juli 1987 die Festwochen mit einer feier­lichen Operngala aus der Taufe gehoben. Dass sich das Festival, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert, so prächtig entwickelt hat, ist vor allem das Verdienst von Intendantin Jutta Skokan, die seit 1997 die Geschicke der Festwochen leitet. Was mit einigen Orchester- und Kammermusikabenden in Gmunden begann, hat sie sukzessive ausgebaut und erweitert. „Mir wurde es bald zu eng“, sagt Jutta Skokan. „Da­rüber hinaus war eine Woche viel zu kurz, um die vielen Ideen umzusetzen, die sich in meinem Kopf angesammelt haben.“

Und so wurden inmitten der reizvollen Kulisse rund um den Traunsee Jahr für Jahr neue Spielstätten erschlossen, vom Gmundner Stadttheater über die prachtvolle Villa Toscana bis hin zum Klostersaal Traunkirchen mit seiner barocken Holzdecke. So weit verteilt die Spielorte sind, so vielseitig präsentiert sich das Programm, das die Intendantin für die Sommermonate zusammengestellt hat. Persönliche Höhepunkte? „Jetzt müsste ich eigentlich alles aufzählen, was bei uns stattfindet, weil mir jede Veranstaltung ans Herz gewachsen ist“, lacht Jutta Skokan. „Bei 60 Stücken ist das eine lange Liste.“ Von der Literatur bis zur Musik, von Theateraufführungen bis zu Performances, von Liederabenden bis hin zu Lesungen, Filmen, Ausstellungen und Diskussionen kann einem hier alles begegnen.

Eröffnet werden die Festwochen Gmunden am 19. Juli mit einer Hommage an Philip Glass, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert. Und wer wäre besser als „Festspieler“ geeignet als Glass’ langjähriger Freund und Wegbegleiter Dennis Russel Davies, der gemeinsam mit Maki Namekawa Philip Glass’ Four Movements for Two Pianos spielen wird? Mit einer Hommage an Balduin Sulzer am 26. Juli begehen die Festwochen den 80. Geburtstag des großen zeitgenössischen Komponisten. Die Sopranistin Anna Maria Pammer, der Klarinettist Bernhard Zachhuber und das Koehne-Quartett präsentieren ­einige von Sulzers Werken, die seine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit der amerikanischen Schriftstellerin Sylvia Plath dokumentieren. Höhepunkt des Abends ist die Uraufführung von Balduin Sulzers Werk Im Feigenbaum, das nach Texten seiner Lieblingsdichterin entstand.

Der Stargast des diesjährigen Sommers ist Khatia Buniatishvili. „Die stärksten Momente erlebe ich, wenn ich mich ganz in der Musik verliere und alles rundherum vergesse, auch mich selbst“, sagt die aus Georgien stammende Pianistin. Musik als intimes Zwiegespräch und rauschhafter Zustand, als Gefühle der Extase und der grenzenlosen Freiheit. Im Spiel der 23-­Jährigen findet sich Noblesse ebenso wieder wie Sinnlichkeit und stupende Virtuosität. Dem Publikum in Gmunden serviert sie am 5. August ein explosives Programm mit Scherzi von Frédéric Chopin, Franz Liszts Mephisto-Walzer und Igor Strawinskys Petruschka-Sätzen.

Thomas Bernhard, der in Ohlsdorf bei Gmunden einen alten Bauernhof besaß und dessen literarisches Schaffen eng diesem Wohnsitz verbunden ist, hat im vielfältigen Programm der Festwochen einen besonderen Platz, ebenso wie der Som-merfrischler Arthur Schnitzler, dessen 150. Geburtstag im Rahmen einer drei­tägigen Lesereihe (14. bis 16. August) mit Franz Schuh, Ernst Komarek, Dorothee Hartinger und Miguel Herz-Kestranek gefeiert wird. Der Literaturschwerpunkt der heurigen Festwochen ist Robert Menasse gewidmet. Essayist Franz Schuh, Autor Dimitré Dinev, Philosoph Konrad Paul Liessmann, Schauspieler Cornelius Obonya und viele andere werden dem Schriftsteller in einem spartenübergreifenden Pro­gramm­schwerpunkt vom 9. bis 12. August ihre Reverenz erweisen. Auf dem Programm stehen neben Lesungen bildnerische, filmische und musikalische Annäherungen an den poetischen und politischen Kosmos des Dichters.

„Bei den Festwochen Gmunden werden in erster Linie Feste gefeiert“, sagt Jutta Skokan, die sich selbst keine einzige Veranstaltung entgehen lässt. „Das Schöne an so einem Festival sind die vielen Begegnungen – mit Künstlern und Publikum“, gern auch bei einem Glas Wein nach ­Ende der Vorstellung. Oder einer urigen Matinee bei Grillwürstchen und Lagerfeuer, wenn am 29. Juli Ernst Molden Lieder aus seinem neuen Album A so a scheena Dog zum Besten gibt. Ort des Geschehens ist das Wirtshaus Karbach, das am Fuß des Traunsees liegt und ausschließlich mit dem Boot zu erreichen ist. Besondere Begegnungen an besonderen Orten – sei es in einer Salzlagerhalle, einer ehemaligen Kammgarnspinnerei, einer Galerie oder der ehemaligen Papierfabrik Steyrermühl. Unter dem Titel Zwei Gramm Licht –
Die Geschichte des Fotografen Bernhard W. wird hier der Schauspieler und Regisseur Bernhard Wicki von seiner nur wenigen bekannten Seite – der des Fotografen – gezeigt (21. Juli). Ausgehend von Wickis Schwarzweißfotografien, zeichnet der aus Traunkirchen stammende Schauspieler Fritz Karl zu Improvisationen des Max-Nagl-Trios seinen Lebensweg als Foto-graf nach.

„A life for jazz“, sagte Jean-Luc Ponty vor einigen Jahren in einem Interview. Mittlerweile 70, ist der französische Geigen­virtuose seinem Motto treu geblieben. Im Rahmen seiner Tour kommt er am 22. Juli gemeinsam mit seiner Band nach Gmunden, wo er sein einziges Österreichkonzert spielt. Am 12. August führt Mísia, die große Stimme des Fado, die Zuhörer auf eine poetische Spurensuche zwischen Nostalgie, Weltschmerz und der Vergänglichkeit des Glücks.

„Wir wollen unserem Publikum gern etwas Neues auf den Weg mitgeben, abseits des gängigen Konzertbetriebs“, sagt Jutta Skokan. „Hier kann man den Menschen beim Spielen zuhören. Man kann sie aber auch beim Denken beobachten. Das kann durchaus ansteckend sein, wenn man es nur wagt, sich fallen zu lassen – in eine aufregende Reise zwischen Zeit, Ort und Kunst.“

Text: Miriam Damev