27. ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival

Eine Aufforderung zum Tanz Beim 27. ImPulsTanz stehen heuer mehrere Uraufführungen und Österreichpremieren, ein geschichtsträchtiger Tanzklassiker in neuem Gewand, 180 Workshops, ein Open-Air und ein Aids-Charity-Event auf dem Programm.
Museumstraße 5, A-1070 Wien

Für die Eröffnung des diesjährigen ImPulsTanz-Festivals, die wieder unter ­freiem Himmel im Haupthof des Wiener MuseumsQuartiers über die Bühne gehen wird, lädt der belgische Starchoreograf Wim Vandekeybus den Rockmusiker Mauro Pawlowski, Mitglied der international bekannten Band dEUS, nach Wien ein. Pawlowski, der auch bei Vandekeybus’ letzter Produktion, nieuwZwart (2009), mitgewirkt hatte, wird zusammen mit seiner Band auftreten und gemeinsam mit (Ex-)Tänzer(inne)n von Ultima Vez und einem VJ ­einen einzigartigen Open-Air-Eröffnungsevent mit Tanz, Musik und Video gestalten.

Bis 15. August bietet das Festival, das sich über die Jahre zum größten europäischen Tanzfestival entwickelt hat, eine Vielzahl an spannenden und besonderen Performances von internationalen Tanzgrößen. So kommt beispielsweise Marie Chouinard, die kanadische Ausnahmechoreografin, mit ihrem neuesten Stück, Le nombre d’or, nach Wien. Das Stück feierte im Rahmen der Olympischen Spiele in Vancouver seine Weltpremiere und ist durch das Prinzip des Goldenen Schnitts inspiriert. Die Künstlerin, deren Arbeiten stets eine Welt voller Symbolik und Kraft enthüllen, vereint in ihrer neuesten Kreation Eleganz und Magie. Chouinards Rohmaterial sind die Instinkte und vitalen Impulse des menschlichen Körpers. Für Le nombre d’or erforscht sie gemeinsam mit ihren Tänzer(inne)n die daraus resultierende Vielfalt und stellt ihrem Publi-
kum verschiedene Variationen vor: „Der Mensch ist ein weites Feld für Entdeckungen, ein Schmelztiegel von unzähligen Möglichkeiten.“

Der Kanadier Benoît Lachambre, ein hochgeschätzter Improvisationskünstler der internationalen Tanzszene, wird im Sommer mit zwei Produktionen im Festivalprogramm vertreten sein. Lachambres neuestes Stück, das Trio O Oui, kommt bei ImPulsTanz zur Uraufführung. Darin begibt er sich auf die Suche nach einer Sprache jenseits unserer Sprache, die man mit allen Sinnen und dem Körper zu sprechen vermag: „Ich finde, wir sollten unsere Emotionen einfach hervorquellen lassen. Welche Kommunikationsmöglichkeiten würden sich uns erschließen, wenn wir es wagten, unsere Sprache eine rein organische, biologische Sprache werden zu lassen?“ Die Musik bei O Oui stammt von Hahn Rowe, mit dem Lachambre bereits im Rahmen seines Duetts Is You Me, das heuer ebenfalls auf dem ImPulsTanz-Programm steht, zusammengearbeitet hat. Tatsächlich lebt Benoît Lachambres Schaffen vom regen Austausch mit verschiedensten Künstlerpersönlichkeiten, denen er im Lauf seiner Karriere begegnete. So war auch Is You Me ursprünglich als Duett mit Louise Lecavalier geplant. Aber kurz nachdem die kreative Arbeit der beiden Tanzgrößen begonnen hatte, stießen der Visual Artist Laurent Goldring und Hahn Rowe zu dem Projekt. Das Ergebnis ist ein komplexes Quartett, in dem Choreografie, Musik, Tanz, Zeichnung und Videokomposition miteinander interagieren.

Aus Frankreich tragen heuer gleich mehrere Künstler(innen) zum Programm des Tanzfestivals bei: Jérôme Bel präsentiert sein neues Stück, Cedric Andrieux, der deutsch-französische Tänzer und Choreograf Xavier Le Roy zeigt seine neue Produktion Product of other circumstances, das in Anlehnung an sein Stück Product of circumstances aus dem Jahr 1999 entstanden ist, und Mathilde Monnier bringt ihre zwei aktuellsten Kreationen nach Wien. 1907 von Michel Fokine für die großartige Tänzerin Anna Pavlova choreografiert, 2009 von Mathilde Monnier neu bearbeitet, bildet das legendäre dreiminütige Ballettsolo Der sterbende Schwan die Grund­lage für Monniers Stück pavlova 3′23ʺ. Fokines Ballettsolo ist in mehrerlei Hinsicht speziell, betrachtet man seine Form, seine Länge und auch sein Thema selbst – eine Tänzerin vollführt gleichsam eine Spirale, während sie auf eine unsterbliche, endlose Bewegung improvisiert, zu jener Zeit übrigens eine Revolution im Ballett. Es ist ein Stück, das im kulturellen Tanzgedächtnis abgespeichert ist.

Mathilde Monniers pavlova 3′23ʺ ist nicht der Versuch, diesen Ballettklassiker neu zu inszenieren. Er liefert vielmehr das Fundament, auf dem Monniers Tänzer(innen) sich in Soli, Gruppentänzen und zeitgenössischen Prozessionen auf der Bühne bewegen. Ihre Bewegungen sind allesamt ein Akt des Widerstands, der Versuch, nicht unterzugehen, sondern im Gegenteil den Tanz und seine Gesten stets und ohne Ende zu erneuern.

In Soapéra, dem neuesten Stück von Mathilde Monnier, holt sich die Choreografin und künstlerische Leiterin des Centre Choréographique National de Montpellier die Inspiration aus der Malerei. Die Choreografie leitet sich von den Arbeiten des bildenden Künstlers Dominique Figarella ab. Die Gestaltung des Bühnenraums und das Geschehen ergeben sich dabei aus einer Art „Painting in Progress“, die Bausteine sind die unterschiedlichen Materialien – von der Farbe und dem Pinsel über Texte oder Musikstücke bis hin zu Gesten und Bewegungen.

Ein Highlight des diesjährigen Festivals ist die Kooperation, die ImPulsTanz mit dem 18. Internationalen Aids-Kongress, der im Juli in Wien stattfinden wird, eingegangen ist. Die südafrikanische Choreografin Robyn Orlin zeigt mit der City Theater & Dance Group Johannesburg We must eat our suckers with the wrappers on, in dem exemplarisch die Geschichte einer Frau dargestellt wird, die mit dem HI-Virus infiziert und anschließend von der Gemeinschaft geächtet wird. Dabei mischen sich jazzige A-cappella-Lieder, rhythmischen Gruppenbewegungen, traditionelle Choräle und Zulu-Tänze mit surreal anmutenden, schwarzweißen Videobildern. Ein plakatives, packendes und gleichzeitig doch berührendes Stück über eine Krankheit, die zu den größten Problemen und Tabus in Südafrika zählt.

Der Tänzer und Choreograf Anthony Rizzi, der viele Jahre mit dem Ballett Frankfurt oder der Forsythe Company aufgetreten ist, und die US-amerikanische Allroundkünstlerin Penny Arcade, die als Teenage-Superstar in Andy Warhols Factory eine Hauptrolle in dem Film Women in Revolt von Warhol und Morrissey angeboten bekam, werden zum Abschluss des Kongresses ein exklusiv für diesen Abend gestaltetes Performanceprogramm präsentieren. Den ersten Teil des Programms bestreitet das renommierte ORF-Radio-Symphonieorchester Wien mit der Hommage à Klaus Nomi der österreichi­schen Komponistin Olga Neuwirth, die diese exklusiv für diesen Anlass als Orchesterstück neu instrumentiert.
Einer besonderen Tradition folgend zeigen Anne Teresa de Keersmaeker und ihre Compagnie Rosas ihre neue Krea­tion, die das Festival von Avignon eröffnen wird. Mit gardenia kommt eine Zusammenarbeit von Alain Platel & Les Ballets C. de la B. mit dem belgischen Regisseur Frank van Laecke und der Schauspielerin Vanessa van Durme nach Wien. Und auch der international erfolgreiche österreichische Starchoreograf Chris Haring präsentiert das Ergebnis seiner letzten Zusammenarbeit mit Les Ballets de Monte Carlo unter der Leitung des berühmten Choreografen Jean-Christophe Maillot bei ImPulsTanz 2010.

Der choreografische Nachwuchs bringt heuer im Rahmen der [8:tension] Young Choreographers’ Series wieder neue Impulse, und Bewegungsfreudige können aus 180 Workshops für alle Altersklassen – für Anfänger(innen) und Profis gleichermaßen – wählen: Das Spekt­rum reicht von Ballett über Modern, Hip-Hop und Bodywork bis hin zu Kinderworkshops und Workshops für die Generation 55+.

Informationen
15. Juli bis 15. August 2010
ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival
Museumstraße 5/21, A-1070 Wien
Tel. (+43-1) 523 55 58
www.impulstanz.com

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