Bild: Yvonne, die BurgunderprinzessinBild: Yvonne, die BurgunderprinzessinBild: Yvonne, die Burgunderprinzessin

Momente der Verrücktheit

Faszinierend: Philippe Boesmans’ Oper Yvonne, die Burgunderprinzessin in der Inszenierung von Luc Bondy.
Lehárgasse 11, A-1060 Wien

„Yvonne ist die Parodie eines Shakespeare’schen Königsdramas, doch so, wie Gombrowicz von sich sagte, er sei die Parodie einer Person, sein Geist die Parodie eines Geists. Parodie hat nichts mit Kabarett, mit Satire, mit Witzigkeit zu tun, sondern mit einem bewussteren Verhältnis des Menschen zu sich als Rollenspieler, der nicht nur ist, sondern sich vortäuscht.“ Also sprach François Bondy (1915–2003), bedeutender europäischer Intellektueller, einflussreicher Literaturkritiker und Vater des Wiener-Festwochen-Intendanten Luc Bondy. Hatte François Bondy wesentlich zur Entdeckung von Witold Gombrowicz (1904–1969) beigetragen, so konnte Luc Bondy wiederum mit seiner Inszenierung von Philippe Boesmans’ Oper Yvonne, princesse de Bourgogne – das Libretto (Luc Bondy/Marie-Louise Bischofberger) beruht auf Gombrowicz’ gleichnamigem Stück – einen komplexen dramatischen Stoff des polnischen Autors auf faszinierende Weise szenisch umsetzen. Nicht zum ersten Mal im Übrigen: Bereits mit seiner legendären Theaterinszenierung von Yvonne 1980 am Schauspiel Köln trug sich Luc Bondy maßgeblich in die Annalen der Gombrowicz-Rezeption ein. Die Zusammenarbeit mit dem 1936 geborenen Philippe Boesmans zeugt ebenfalls von einer engen Bindung: Die im Januar 2009 im Pariser Palais Garnier mit einem beeindruckenden Klangforum unter Sylvain Cambreling uraufgeführte Oper war bereits das vierte Werk des belgischen Komponisten, das Bondy zur Uraufführung brachte. Zu seiner Komposition sagt Boesmans: „Einmal klingt es wie Offenbach, dann wie Wiener Operette, manchmal nach imitierten Zigeunermelodien. Genauso gibt es Momente der Stille oder der Verrücktheit.“
Die vieraktige Oper zeigt eine Hofgesellschaft, die durch die Verlobung des Prinzen (Yann Beuron) mit dem hässlichen Mädchen Yvonne (Dörte Lyssewski) völlig aus dem Gleichgewicht gerät. Yvonnes Anderssein löst allgemeine Verstörung aus – ein unerträglicher Zustand, der nur durch den gewaltsamen Tod Yvonnes beendet werden kann. Für die Süddeutsche Zeitung begibt sich Boesmans, ein Spezialist für „Literaturopern“ (Fräulein Julie), in seinem jüngsten Werk „auf jenes ins gebrochen Magische zielende Niveau, das er mit seinen Trakl-Liedern erreicht hat. Dass Boesmans’ Ansatz Experimente, die Aufgabe des Narrativen und andere Errungenschaften der Moderne ausschließt, versteht sich von selbst. Doch auch wenn Yvonne zwar die traditionelle Theatererzählform wahrt, benutzt sie diese Form nur, um die mit allen dramatischen Konventionen brechende Titelheldin überhaupt szenisch einfangen zu können. Das verbindet Yvonne mit Hamlet und König Ubu.“

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