Durch seine einfühlsame, dabei schonungslose, geradezu realistische Musik brachte Verdi ein Porträt der genusssüchtigen und auf zynische Weise bigotten Pariser Halbwelt um 1850 auf die Bühne. Vor diesem Hintergrund erhebt sich das Porträt einer selbstbewussten Frau, die in dem Augenblick, als ihr in Gestalt des jungen Alfredo Germont erstmals die Liebe begegnet, zur großen Entsagenden wird. Denn der Schatten des Todes liegt auf ihr: Im Bewusstsein des nahen Endes beugt sie sich den Konventionen, die Alfredos Vater ihr erbarmungslos vorhält, und verzichtet auf ihr Liebesglück. Erst als sie im Sterben liegt, kehrt ihr Geliebter zu ihr zurück – zu spät.
Mit der Neuinszenierung der TRAVIATA in Linz wendet sich ein Künstler dieser Oper zu, der das Theater in den letzten 50 Jahren weltweit geprägt hat wie wenige andere: der US-amerikanische Regisseur, Bühnenbildner, Lichtgestalter, Autor, Darsteller und bildende Künstler Robert Wilson. Mit seiner Ästhetik eines nicht-psychologischen, formalen Theaters geht es ihm darum, ein Gefäß für die Musik zu schaffen. Die dabei entstehende Raum-Zeit-Konstruktion bietet für jeden Zuschauer vielfältige Möglichkeiten, eigene Phantasien zu entwickeln und dem Stück so einen je eigenen Sinn abzugewinnen.