Chaignaud Francois & Bengolea Cecilia, TWERK © Jean-MarieLegrosAkram Khan, Desh © Richard HaughtonLiquid Loft, Chris Haring, LEGO LOVE © Nils KlingerMathilde Monnier,  Twin Paradox  © Marc CoudraisUltima Vez, What the Body Does Not Remember  © Danny Willems

ImPulsTanz bewegt die Stadt

Gut möglich, dass Wien im Sommer durch ImPulsTanz noch um einige Grad heißer wird. Seit 30 Jahren hat es sich das Tanzfestival zur ­Aufgabe gesetzt, sein Publikum in Bewegung zu bringen.
Museumstraße 5, A-1070 Wien

Ob geistige Sprünge beim Zusehen oder körperliche Bewegung beim Selbsttanzen – wenn im Juli und August die bunten ImPulsTanz-Räder das Stadtbild prägen, werden müde Zuschauerkörper aufgerüttelt. Das internationale Publikum sorgt Jahr für Jahr dafür, dass es vor Beginn der Vorstellungen im Zuschauerraum oft genauso wuselt wie danach auf der Bühne. Bei so viel Aktion kann man sich kaum vorstellen, dass Wien im Bereich des Tanzes einmal eine verschlafene Stadt war.

Vom Zufall zur Herzensangelegenheit
Dabei hat ImPulsTanz von Beginn an für frischen Wind in der Szene gesorgt, welche die Stadt ab den 80er-Jahren zum Schmelztiegel unterschiedlichster Tanzstile machte. Was jedoch fehlte, war eine professionelle Ausbildung. Auftritt: Karl Regensburger. Um für mehr „Schwung, Bewegung und Esprit“ zu sorgen, tat sich der Betriebswirt, der aus purem Zufall beim Tanz gelandet war, mit dem Tänzer und Choreografen Ismael Ivo zusammen. Gemeinsam wollte man internationale Lehrkräfte nach Wien holen, die Idee zu den „Ersten internationalen Sommertanzwochen“ war geboren. Die Workshop-Reihe begann 1984 mit nur sechs Dozenten, der Erfolg war dennoch überwältigend. Als George Tabori 1988 vorschlug, sein Theater „Der Kreis“ im heutigen Schauspielhaus für ein Festival zu nutzen, startete unter dem Namen „Neun Extra Kreise“ das, was heute als ImPulsTanz bekannt ist. Und auch wenn das Geld von Beginn an knapp war, an Publikum fehlte es nie. Was aus Zufall begonnen hatte, war längst zur „Herzensangelegenheit“ geworden.

Große Namen – große Kunst
Heute ist ImPulsTanz das größte Festival seiner Art in Europa, vom Volkstheater bis zum Burgtheater werden längst die großen Bühnen bespielt. Den Künstlerinnen und Künstlern, die von Beginn an dabei waren, ist man dabei treu geblieben. „Man muss aufpassen, dass Tanz nicht bloße Spektakelkultur wird“, hat Karl Regensburger einmal gemeint. Dieser Grundsatz prägt auch das heurige Programm. Die kanadische Choreografin Marie Chouinard etwa war schon 1988 vertreten, heuer zeigt sie ihr neuestes Werk, Gymnopédies, und am selben Abend ihr Compagniestück HENRI MICHAUX: MOUVEMENTS, dem von der Kritik gar „göttliche Schönheit“ bescheinigt wurde.
Die Belgierin Anne Teresa de Keersmaeker wiederum, die 1983 mit Rosas danst Rosas eine neue Ära im europäischen Tanz eingeläutet hat, war seit 1994 fast jährlich vertreten und zeigte bisher 31 Produktionen aus ihrem Œuvre. Dieses Jahr widmet sie sich gemeinsam mit Boris Charmatz dem Schlusssatz Partita 2 von Johann Sebastian Bach, live interpretiert von der Starviolonistin Amandine Beyer. Im gleichen Jahr wie Keersmaeker debütierte auch Mathilde Monnier bei ImPulsTanz, sie wird mit ihren beiden Produktionen Twin Paradox und Qu’est-ce qui nous arrive?!? (Was ist los mit uns?!?) also ebenso auf ein Publikum treffen, das mit ihrer künstlerischen Sprache bestens vertraut ist. Für Kontinuität sorgt ImPulsTanz auch mit den Wiederaufnahmen alter Meisterwerke. Wim Vandekeybus etwa wird mit seinem neuesten Stück zugleich sein ältestes zeigen: What the Body Does Not Remember begründete 1987 seinen Weltruhm.

Ausblicke auf die Zukunft des Tanzes
Natürlich fließt im Tanz alles im Hier und Jetzt zusammen, sei es die Auseinander­setzung mit der Tanzgeschichte, sei es der Ausblick auf die Zukunft der Kunstform. Einen solchen wagt seit 2001 die Nachwuchsreihe [8:tension], die zukunftsweisende Choreografinnen und Choreografen präsentiert. Dabei garantiert eine zwei­wöchige Residency während des Festivals die Möglichkeit zu Austausch und Diskussionen unter den jungen Künstlerinnen und Künstlern. Dass der mit 10 000 Euro dotierte Tanzpreis „Prix Jardin d’Europe“ für die kommenden fünf Jahre im Rahmen der Reihe vergeben werden wird, sorgt aber dafür, dass auch das Feiern nicht zu kurz kommt!
Ein spannendes neues Projekt startet man 2013 mit „Occupy the Museum“: In Kooperation mit dem Weltmuseum Wien werden nicht erschlossene Museumsräume zum „Ort der Auseinandersetzung, des Austauschs und der Performance“. Grenzüberschreitungen also auch in geografischer Sicht, wenn sich mehr als 15 Künstlerinnen und Künstler dem Thema „Tanz in Asien“ widmen. Bei so viel Internationalität wird die österreichische Szene nicht vergessen. Uraufführungen unter anderem von Chris Haring, Doris Uhlich, Philipp Gehmacher und Silke Grabinger werden deren Stärke unter Beweis stellen. Wenn Karl Regensburger einmal gemeint hat, das Festival trage „Erneuerungswillen in sich, ohne Altbewährtes über Bord zu werfen“, ist das diesjährige Programm ein schöner Beweis für seine Aussage.

Geballte Qualität und Freude
Die Liste spannender Aufführungen ließe sich noch lange fortsetzen, immerhin ist der Jubiläumsjahrgang der bisher umfangreichste der ImPulsTanz-Geschichte. Eine Werkschau des New Yorker Festivallieblings Trajal Harrell wird ebenso zu sehen sein wie die neuesten Werke der Starchoreografen Meg Stuart und Akram Khan. Jérôme Bels Disabled Theater, das er gemeinsam mit geistig behinderten Schauspielerinnen und Schauspielern des Zürcher Theaters Hora entwickelt hat, reist direkt vom renommierten Berliner Theatertreffen an, und mit William Kentridges Refuse the Hour hat man ein Gesamtkunstwerk im Programm, das sicher auch in Wien für ­Furore sorgen wird. Ein „Spezialistenfestival“ wollte man sowieso nie sein, stattdessen die Verschiedenartigkeit des Tanzes widerspiegeln und für „geballte Qualität und Freude“ sorgen. Diese wird man auch heuer wieder bei den zahlreichen Workshops er­leben können, mit denen das Festival vor 30 Jahren seinen Anfang genommen hat.
Zwar hat ausgerechnet Workshop-Koordinator Rio Rutzinger einmal zugegeben, noch nie einen Workshop besucht zu haben – „Ich trau mich nicht“ –, das hat Tausende Begeisterte aber noch nie abgehalten. ImPulsTanz wird sein Publikum also auch weiterhin bewegen!

Spielstätten:
Burgtheater, Volkstheater, MuseumsQuartier Hallen E + G + Haupthof, Akademietheater, Odeon, Schauspielhaus, Kasino am Schwarzenbergplatz, Welt­museum Wien, MuTh, Dschungel Wien, Arsenal/Burg­theater-Probebühnen & ART-for-ART-Werkstätten, Garage X, TBA21, Schrey­vogelsaal. Text: Jürgen Bauer
11. Juli bis 11. August 2012
Festivaleröffnung:
Trajal Harrell & Friends
9. Juli, 21.15 Uhr, MuseumsQuartier
Freier Eintritt!

Informationen & Tickets

ImPulsTanz – Vienna International

Dance ­Festival

Tel. +43 (0) 1/523 55 58

http://www.impulstanz.com

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