Chris Haring/Liquid Loft, Deep Dish © Michael LoizenbauerAlain Platel / les ballets C de la B & MünchnerKammerspiele Tauberbach © Julian Röder, JU-OSTKREUZDada Masilo, The Dance Factory, Swan Lake © John HoggDada Masilo, The Dance Factory, Swan Lake © John HoggLloyd Newson, DV8 Physical Theatre, performer Hannes Langolf John © Ben Hopper

Die ganze Welt in einer Stadt

Im Sommer flieht man normalerweise aus den Metropolen an den Strand, doch in Wien sorgt ImPulsTanz Jahr für Jahr dafür, dass zahlreiche internationale Gäste im Juli und August in die Stadt strömen und auch Daheimgebliebene nicht in ein Sommerloch fallen. Auf all das, was einen gelungenen Urlaub ausmacht, muss man dank des Festivals auch zu Hause nicht verzichten: Bewegung, Partys und Begegnungen mit spannenden Menschen aus aller Welt.

Menschen in Bewegung
Figuren in Bewegung, collagiert aus Landkarten, als wären die Menschen aus Plänen aller Weltgegenden zusammengesetzt – der Gedanke ans Reisen liegt auch deshalb so nahe, weil die ImPulsTanz-Plakate ­heuer die Assoziation von Internationalität und grenzüberschreitender Kultur wachrufen. Pfeile weisen quer über Länder und Kontinente und zeigen: ImPulsTanz holt die Tanzwelt nach Wien. Der Satz „See you in Vienna“ wird zwar mit einem Fragezeichen ergänzt, Jahr für Jahr jedoch geben unzählige Tanzschaffende eine eindeutige Antwort. Zahlreiche Produktionen laden dazu ein, Erlebnisse und Erfahrungen zu teilen und gedankliche Ausflüge in bekannte und weniger bekannte Weltgegenden zu machen. „ImPulsTanz ist im positiven Sinn ein Festival einer Gemeinschaft, wo der Austausch zwischen Zuschauern und Darstellern funktioniert“, hat Intendant Karl Regensburger einmal gemeint.

Internationale Beziehungen
Aus Südafrika etwa reist die unkonventionelle Choreografin Dada Masilo an. Der Shootingstar der Tanzszene widmet sich gemeinsam mit 13 Tänzerinnen und Tänzern Tschaikowskys Klassiker Schwanensee, den sie von einem südafrikanischen Blickwinkel aus betrachtet. In einem Interview meinte sie: „Als 12-Jährige denkt man, diese fantasievolle Welt des Balletts sei wahr. Doch man wird erwachsen und merkt: nein. Dann wird man mit der harten Realität konfrontiert.“ Darum bringt sie die magische Geschichte um Prinz Siegfried und die verzauberte Prinzessin Odette mit Themen wie Apartheid, Homophobie und Aids in Verbindung. Es entsteht eine Aufführung voller Humor und Energie, eine Melange aus afrikanischem Tanz und klassischem Ballett, welche die 8500 Kilometer zwischen Johannesburg und Wien spielerisch überwindet.
Mehr als 10 000 Kilometer sind es nach São Paulo, wo nach der Uraufführung in Wien die Südamerikapremiere des neuen Stücks von Ismael Ivo stattfinden wird. Der brasilianische Tänzer, Choreograf und ImPulsTanz-Mitbegründer rief 2013 das Ausbildungsprojekt „Biblioteca do Corpo” ins Leben, um junge Tänzerinnen und Tänzer individuell zu fördern. Heuer sind 30 Nachwuchstalente eingeladen, in Wien gemeinsam zu proben und zu trainieren. Das Ergebnis wird unter dem Titel Erendira am Ende des Festivals sicher für einen würdigen Abschluss sorgen.
„Nur“ etwas mehr als 1200 Kilometer sind es bis nach London, wo das DV8 Physical Theatre beheimatet ist. Die weltberühmte Company Lloyd Newsons zeigt im August in Wien die Uraufführung ihres neuen Stücks John, das davon handelt, ob sich ein Mensch trotz krimineller Vergangenheit ändern und Liebe finden kann. Newsons Credo lautet: „I only create when I have something to say“. Man darf gespannt sein, welche Aussage das Publikum heuer im Akademietheater erwartet.
Aus München reist die viel gelobte Arbeit tauberbach an. Starchoreograf Alain Platel verbindet darin die Dokumentation „Estamira” über eine auf einer Müllkippe lebende Frau in Brasilien mit einem Projekt Artur Żmijewskis, bei dem Gehörlose die Musik Bachs interpretierten. Die Jury des Berliner Theatertreffens fand, der Abend zeige „ein Universum am Rand unserer Wahrnehmung, in dem die Logik unserer Sinne außer Kraft gesetzt wird“. Auch Stücke von Meg Stuart, Jérôme Bel, Ivo Dimchev, David Wampach oder Ko Murobushi – um nur einige zu nennen – werden in Wien zu sehen sein und ein tänzerisches Netz über die ganze Welt spannen.

Ein Kennenlernen der nächsten Generation
30 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher urlauben am liebsten zu Hause, und auch für geistige und tänzerische Reisen bietet Österreich ausreichend Anlass. Grund genug, neben dem internationalen Tanzgeschehen auch die heimische Szene prominent zu präsentieren.
Chris Haring etwa zählt zu deren wichtigsten Akteuren, neben seinem Stück Talking Head wird im Volkstheater heuer seine jüngste Produktion, Deep Dish, zu sehen sein, über die es in der Kritik heißt, sie sei „eine barocke Installation – in opulenter Schönheit an die Vergänglichkeit des Daseins gemahnend“.
Auch Arbeiten von Amanda Piña & Da­niel Zimmermann, Florentina Holzinger, An Kaler, Magdalena Chowaniec, Georg Blaschke und Akemi Takeya werden starke Akzente für das heimische Schaffen setzen. Für Mobilität und internationalen Austausch sorgt außerdem das danceWEB-Programm, das heuer 65 Nachwuchskünstlerinnen und -künstlern aus 42 Ländern ein Stipendium bei ImPulsTanz ermöglicht.
„Wer ist die neue Generation von Choreografinnen und Choreografen? Was treibt sie an? Woran reiben sie sich?“ Diese Frage stellt auch die Nachwuchsreihe [8:tension] Young Choreographers’ Series, die 14 spannende Produktionen internationaler junger Künstlerinnen und Künstler in Wien versammelt. Eines dieser eingeladenen Stücke wird sich über den mit 10 000 Euro dotierten Nachwuchspreis Prix Jardin d’Europe freuen können, der seit letztem Jahr als Kombination aus Jurypreis und Fan Award vom Moderatorenteam Dirk Stermann & Doris Uhlich vergeben wird.
Der Wien-Welt-Wettbewerb wiederum, der dieses Jahr erstmalig bei ImPulsTanz gastiert, bittet bis zu 400 Tänzerinnen und Tänzer aus mehr als 20 Nationen zum tänzerischen Wettstreit. Seinen Abschluss findet der Bewerb in einer festlichen Gala im Volkstheater, bei der neben den Gewin­nerinnen und Gewinnern des Contests auch internationale Ballettgrößen, wie beispielsweise die Primaballerina des Wiener Staatsballetts, Maria Yakovleva, oder Francesca Harper, Ballettberaterin des Kinofilms Black Swan, Kostproben ihres Könnens geben werden.

Einzigartiger Publikumsmix
Karl Regensburger hat über das ImPulsTanz-Publikum gesagt: „Durch den einzigartigen Mix des Publikums entsteht eine ganz besondere, sehr offene Atmosphäre.“ Und tatsächlich: Vor den Aufführungen versammelt sich die Community bei den 240 Workshops der mehr als 150 Dozenten, die vom Anfänger bis zum Profitänzer jeden in Bewegung versetzen. Und wer nach einem langen Tag immer noch Lust auf Bewegung hat, kann in der festival lounge im Vestibül des Burgtheaters bei zahlreichen Partys bis in den Morgen tanzen. Ausgelassener kann ein heißer Sommertag selbst auf dem belebtesten Strand nicht enden!
Text: Jürgen Bauer
17. Juli bis 17. August 2014

Spielstätten
Volkstheater, Akademietheater, MuseumsQuartier Halle G, Odeon, Schauspielhaus, Schaufenster im Schauspielhaus, Kasino am Schwarzenbergplatz, Garage X, Akademie der bildenden Künste Wien, Hofburg, mumok Hofstallungen, Arsenal / Burgtheater Probebühnen & ART-for-ART-Werkstätten, Gartenpalais Schönborn, MuTh, Stadtkino im Künstlerhaus.

Informationen & Tickets
Tel. +43 (0) 1/523 55 58
www.impulstanz.com

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