Benoît Lachambre/Par B.L.eux,O Oui © Rolline LaporteCie. Mathilde Monnier, Soapéra © Marc CoudraisLouise Lecavalier / Fou Glorieux, Children © André CornellierLes Ballets de Monte-Carlo/Jean-Christophe Maillot,Daphnis et Chloé © Les Ballets de Monte-Carlo

Der Sommer gehört dem Tanz

Bereits zum 27. Mal verwandelt sich Wien zum Nabel der Tanzwelt: Mitmachen oder bloß zusehen, beides ist möglich!
Museumstraße 5, A-1070 Wien

ImPulsTanz 2010 bringt jene überbordende Mischung, die es zum größten Tanzfestival Europas werden ließ: Performances internationaler und heimischer Größen des zeitgenössischen Tanzes, Workshops für jede Frau und jeden Mann, heuer zumindest 175 an der Zahl, sowie das danceWEB-Stipendienprogramm für den tänzerischen und choreografischen Nachwuchs aus der ganzen Welt. Letzteres ist ja auch dafür verantwortlich, dass Wien allsommerlich ab Mitte Juli besonders im Umkreis des Arsenals, wo die Workshops stattfinden, und der Spielstätten der Performances von fröhlichen, jungen Gestalten auf den pink-violetten Fahrrädern des Festivals geprägt ist. Hinzu kommt heuer die Beteiligung am künstlerischen Programm der Welt-Aids-Konferenz mit einem Stück der südafrikanischen Choreografin Robyn Orlin sowie einem Charity-Abend, der aus einer „Hommage à Klaus Nomi“ von Olga Neuwirth, gespielt vom ORF-Radio-Symphonieorchester, und einem Programm der Live-Art- beziehungsweise Tanzroutiniers Penny Arcade und Antony Rizzi besteht.
Die Festivaleröffnung wird bei Einbruch der Dunkelheit im Haupthof des MuseumsQuartiers am 15. Juli über die Open-Air-Bühne gehen und von einem Fixstarter bei ImPulsTanz, Wim Vandekeybus, bestritten. Er kreiert speziell für Raum und Anlass und gemeinsam mit Tänzern von Ultima Vez und dem belgische Rockmusiker Mauro Pawlowski eine Art Catwalk aus den Zutaten Tanz, Livemusik und Video.
Am 18. Juli wird nachmittags mit Impressions 10 im Arsenal das Workshop-Programm vorgestellt. Wer neugierig, aber noch unentschlossen ist und sich ein Bild von den Dozent(inn)en machen möchte, findet hier sicher einen Tanzstil, eine Art des Körpertrainings oder eine Lehrerpersönlichkeit, der man sich getrost auch als Anfänger(in) anvertrauen kann. Denn traditionell richtet sich das Workshop-Programm nicht nur an die Jungen und Dehnbaren, sondern an Vertreter(innen) des gesamten Alters- und Körperspektrums. Die Leiterin der Age Company etwa, Nicole Berndt-Caccivio, bietet Menschen über 55 eine Klasse für zeitgenössischen Tanz an. Und bei dem Japaner Ko Murobushi lässt sich heuer wieder in den Butoh-Tanz hineinspüren. Madonna-like geht es bei dem New Yorker Neuzugang Archie Burnett in seinem Voguing-Workshop zu. Erneut wird Rosas-Mitglied Anani Sanouvi unterrichten, indem er seine Erfahrungen mit traditionellem afrikanischem und zeitgenössischem Tanz auf „die Beine des Chamäleons“, wie sein Workshop heißt, stellt.
Das Performanceprogramm bestreiten Compagnien wie Anne Teresa de Keersmaekers Rosas, die Compagnie Mathilde Monnier, die Compagnie Marie Chouinard oder Alain Platels Les Ballets C. de la B. und Benoît Lachambres Par B.L.eux., aber auch seltenere Gäste wie Les Ballets de Monte-Carlo, die eine Choreografie des Österreichers Chris Haring bringen. Größen des internationalen Performanceparketts wie Jérôme Bel, Hans van den Broeck, Jonathan Burrows, Ivo Dimchev, DD Dorvillier, Davis Freeman, Keith Hennessy, Anne Juren, Louise Lecavalier, Xavier Le Roy, Marten Spangberg und David Zambrano zeigen heuer ihre neuesten Werke. Die Uraufführungen darunter kommen von dem Kanadier Benoît Lachambre, der in O Oui die kodifizierte Sprache der Liebe mit dem Körper überlisten möchte, und der in Wien lebenden Französin Anne Juren, die in ihrem Solo Magical den nackten Körper zu verzaubern trachtet. Der Belgier Hans van den Broeck dagegen begibt sich in eines der beliebtesten Wiener Kaffeehäuser, das Café Prückel, und choreografiert dort das Geschehen an fünf Tischen. Die Unterhaltungen der neun Protagonist(inn)en lassen sich vom Publikum als Soundinstallation, aber auch als Puzzleteile, die zu einer einzigen Geschichte gehören, wahrnehmen.
Stilistisch bietet ImPulsTanz die ganze Bandbreite des zeitgenössischen Tanzgeschehens, da kann es streng performativ im Sinn von Live-Art zugehen, da werden humorvoll konzeptionelle Stücke geboten, oder es wird „wirklich“ und in feinster Technik getanzt.
Ivo Dimchev, von der Kritik schon mal als „bulgarischer Radikalperformer“ bezeichnet, nimmt sich in Some Faves einige seiner liebsten Themen, Objekte und Menschen vor, um damit formale und inhaltliche Verfahren im zeitgenössischen Tanz und Theater vor Augen zu führen. Die New Yorker Choreografin DD Dorvillier hat gemeinsam mit ihren Tänzer(inne)n, darunter die in Wien lebende Chilenin Amanda Piña, ein humorvolles Stück über Wahrnehmung und Kommunikation, das im Titel nicht weniger als einen Prolog zur Apokalypse des Verstehens verspricht, erarbeitet. Neben einer Uraufführung steuert Benoît Lachambre heuer nochmals das lebendige dreidimensionale Videokunstmusikbild Is You Me, das er im Vorjahr ohne Partnerin Louise Lecavalier betanzen musste, bei.
„Klassischer“ geht es bei Mathilde Monnier, Marie Chouinard und natürlich dem Ballett von Monte Carlo zu, auch wenn Letzteres in die Fänge von Chris Haring geriet. Die Kompanie von Monnier widmet eines der beiden Stücke, mit dem sie zu Gast ist, dem „Sterbenden Schwan“, einem Ballettsolo der großen Anna Pavlova, choreografiert von Michel Fokine 1907. Chouinard bringt ihre olympische Choreografie The Golden Mean (LIVE), die letzten Winter im Rahmen der Spiele in Vancouver Premiere hatte, auf die Bühne.
Viele der jüngeren Choreografen, die von der künstlerischen Leiterin von [8:tension], Christa Spatt, für ihre „Zukunftsschiene“ ausgewählt wurden, haben irgendwann in den letzten Jahren am danceWEB-Stipendienprogramm teilgenommen und dabei wohl bleibenden Eindruck in Wien hinterlassen und auch erhalten, so der Belgier Pieter Ampe, der sich gemeinsam mit dem Portugiesen Guilherme Garrido weiterhin im Choreografieren einer menschlichen Beziehung übt. Diese Beziehung der aufgeschlossenen Jungs ist von Rivalität und Freundschaft geprägt, dabei von keinerlei physischen Berührungsängsten getrübt, auch nicht im Adamskostüm, wie sie in ihrem Vorjahrsstück bewiesen. Während bei Ampe/Garrido der Körpereinsatz im Vordergrund steht, geht es bei der Belgierin Sarah Vanhee um andere Einsätze: Im Rahmen einer Versteigerung werden unrealisierte Ideen von Künstlern feilgeboten und von Sotheby’s-Wien-Chefin Andrea Jungmann an den Bestbieter verauktioniert. Weitere drei Ex-Dance-Web(b)er, Jenny Beyer, Chris Leuenberger und Anja Müller, proben in I I I ihre choreografischen Handschriften an- und miteinander aus. Österreich wird von der in Wien lebenden Neuseeländerin Anna MacRaes und ihrem Trio with subtitles vertreten, wobei es sich bei diesen „Untertiteln“ um Ansprachen berühmter Persönlichkeiten wie Slavoj Zˇizˇek, Malcolm X oder Krishnamurti handelt, die in Bewegungen, aber auch in Volks- oder Gesellschaftstanz übersetzt werden. Im Hauptbewerb, also unter den etablierten Gruppen, treten auch LuxFlux mit filzen für Österreich an. Der Sommer darf kommen!

Informationen
ImPulsTanz 2010
Tel. (+43-1) 523 55 58
Tickets: Tel. (+43-1) 205 15 65
www.impulstanz.com

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