Zwanzig Jahre lang, von 1913 bis 1934, schrieb der portugiesische Dichter Fernando Pessoa an seinen Prosafragmenten. Die handschriftlichen Zettel, unter dem Titel „Das Buch der Unruhe“ für die Veröffentlichung gedacht, blieben unpubliziert. Erst nach Pessoas Tod 1935 stieß man in einer Holzkiste - einem der abenteuerlichsten Funde der europäischen Literaturgeschichte - unter 27.543 Papieren auf die mitunter nur schwer entzifferbaren Notate.
"Was anderes ist Kunst, als die Verneinung des Lebens?" schrieb Pessoa, und verwandelte umgekehrt sein Schreiben in Leben, indem er verschiedene literarische Persönlichkeiten samt detaillierter Biographie erfand – wie den sanften, melancholischen Hilfsbuchhalter Bernardo Soares, Erzählerfigur im "Buch der Unruhe": eine "leichte Verstümmelung" seiner selbst nannte ihn Pessoa: weniger denkfähig, dafür emotionaler und poetischer.