Wer sich auch immer an die Fersen der sonderbaren Dame mit den schrillen Gewändern und den nicht minder schrillen Ideen heftete, der musste sich vorkommen, wie ein Hamster im Rad. Diese besondere Form von Extrovertiertheit brachte ihr den Beinamen „Picasso des Piano“ ein. Denn wie der große spanische Surrealist wagte die Amerikanerin ganz bewusst den Bruch mit den Konventionen. Nachdem sie sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf ihre Lehrtätigkeit besann, ist die einzige Frau, die in der männerdominierten Welt des Jazzpianos in einem Atemzug mit Keith Jarrett, Herbie Hancock und Chick Corea genannt wird, nun wieder zurück. Endlich! Gerade in einer Zeit, da individuelle Fantasie mehr denn je zur gefragten Tugend geworden ist. Davon besitzt die 74-Jährige jede Menge, vor allem solo. Die einst gefürchtete Unberechenbarkeit lodert weiter lichterloh und bündelt skurrilen Bop, feine Balladenkunst und frechen Zeitgeist zum verwirrenden Genusswert einer Achterbahnfahrt. Wer zählt da die Akkorde, nennt die Tonarten, definiert die Stile? Die Brackeen ist ein Phänomen, heute mehr noch als früher.
Joanne Brackeen (p)